#9 – WANN WIRD UNSERE STADT KLIMANEUTRAL?

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GREEN-TO-GO – der 5-Minuten-Klima Power Blog
von Birgit Compin

| 2030 | Das entscheidende Jahrzehnt – Artikel veröffentlicht: 29/06/22 @ gt-info.de

Wann wird unsere Stadt klimaneutral?

Vor einer Woche las ich einen interessanten Artikel in der Berliner Morgenpost. Eigentlich beschäftigte er sich damit, wie sich die einzelnen Regierungsmitglieder in der Krise so „schlagen“. Und doch fand ich dort eine guten Ansatz für diese Kolumne.

„Es ist ein Scheibenkleister und nicht richtig, nun mehr CO2 in die Luft zu pusten.“

Der Wirtschaftsminister lege einen beeindruckenden Spagat hin, war dort zu lesen. Statt mit dem neu geschaffenen Superministerium für Wirtschaft und Klima  entschlossen die Klimapolitik voranzutreiben, plagt er sich mit „CO2-Schleudern“, wie Kohlekraftwerke, Flüssig- und Frackinggas herum, um die Versorgungssicherheit zu gewährleisten. Und doch: Neben all dem täglichen Wahnsinn arbeiten Wirtschafts- und Klimaministerium gemeinsam mit dem Umweltbundesamt und dem Bauamt für Wohnen, Stadtentwicklung und Bauwesen mit Hochdruck daran, uns langfristig aus dieser rückwärtsgewandten Abhängigkeit herauszuführen. Sie ändern Gesetze und schaffen Erleichterungen, um den Ausbau erneuerbarer Energien voranzutreiben. Es sei ein „Scheibenkleister und nicht richtig, nun mehr CO2 in die Luft zu pusten“, zitiert der Autor den Minister beim jährlichen Spitzentreffen des BDI im Juni. „Aber es sei notwendig, um sich nicht weiter erpressbar zu machen. Die Drosselung der Gaszufuhr nennt Habeck einen ‚ökonomischen Angriff‘ auf Deutschland. Als er endet, spenden die Wirtschaftsvertreter ihm langen Applaus. In der Wirtschaft kann Habeck derzeit punkten.“ [sic]

Und in der Stadtgesellschaft?

Bei uns gibt es den Wattbewerb, Unternehmen installieren PV-Anlagen auf Hallendächer, Eigenheimbesitzer setzen auf Wärmepumpen, gerade entsteht eine privatwirtschaftliche Wasserstoffsiedlung am Stadtrand und die Stadtwerke bieten diverse Module an. Das alles ist schön, wertvoll – aber reichen wird es nicht. „Würden wir jedes Haus in der Stadt mit PV-Anlagen zupflastern, erhalten wir gerade mal 20 Prozent der erforderlichen Energie“, sagte mir ein Experte. 

Hört man einigen Verantwortlichen in der Stadtverwaltung zu, glauben sie derzeit noch nicht so recht daran, dass sich die Gesetzeslage für den schnellen Ausbau von Windkraft und PV-Anlagen tatsächlich ändert. Und wer will ihnen das verdenken? Schließlich beschäftigen sie sich tagtäglich mit den Widrigkeiten diverser Bauvorschriften, Verordnungen, Gesetzesvorgaben und weiteren Hindernissen, um schnell und zügig die Erneuerbaren Energien auch in Gütersloh voranbringen zu können. Wird sich das jemals ändern? Die Frage ist sinnlos. Es muss!

Wie wäre es mit Bürgerwindparks? 

Wer das jetzt liest, bekommt vermutlich eine Krise. Sie sind eben immer noch erklärungsbedürftig. Das Problem: die Vorzüge von Windparks sind einleuchtend, doch sollen sie nicht vor der eigenen Haustür stehen und Vögel verletzen. An dieser Einstellung wird wohl auch das neue Habecksche Gesetz zur Distanzreduzierung nichts ändern. Und doch sollten wir genau darüber nachdenken: Windparks helfen nicht nur dem Klimaschutz aufgrund der heimischen Erzeugung umweltfreundlicher Energie, sie bedeuten auch eine Wertschöpfung in der Region. Allein in Schleswig-Holstein wurden in den vergangenen Jahren um die 12.000 Arbeitsplätze in der Windbranche geschaffen.

Wie genau das aussehen kann, stelle ich in der Septemberausgabe von gt!nfo vor.

Vollkommen Klimaneutral funktioniert bereits

Die ZDF-Sendung „plan B.“ beschäftigt sich mit nachhaltigen Themen und stellte Anfang Mai 2022 zwei bemerkenswerte Projekte vor (Video siehe Link).

Da ist zum einen die Insel Samsø in Dänemark. Natürlich steht ihre Einwohnerzahl mit 4.000 Personen in keinem Verhältnis zu der unsrigen. Und doch ist das Beispiel interessant. Denn hier geht es um Akzeptanz und ein „gemeinsames an einem Strang ziehen“. 

Samsø ist heute komplett CO2-neutral. Dafür war es wichtig die Landwirte zu überzeugen in grüne Energie zu investieren, um mit sauberer Energie zusätzlich Geld zu verdienen. Ihr Fazit heute: „Jedes Wetter ist gut für einen Landwirt, wenn du Sonnenkollektoren und ein Windrad hast.“ Sie nutzen auf ihren Feldern Agri-Panels, jeweils ein Windrad und weitere Solarkollektoren. Ihre Kraftwerke stellen Biogas her, das sie zur Wärmegewinnung nutzen. „Wenn es wirtschaftlich Sinn macht, macht es auch in den Köpfen Sinn.“ Ein weiterer Pluspunkt dieser Kommune: Um die Fahrzeuge der gesamten Insel endgültig auf e-Mobilität umzustellen, wurden PV-Parks mit Parkplätzen gekoppelt. Hier kann jetzt jeder Inselbewohner sein Fahrzeug aufladen. 

„Wenn es wirtschaftlich Sinn macht, macht es auch in den Köpfen Sinn.“

Ein weiteres Beispiel ist Esslingen, Baden-Württemberg. Hier entstand eine Siedlung mit 500 Wohnungen, die sich weitgehend selbst mit grünem Strom und Wärme versorgt. Ein Projekt übrigens, das mit über 12 Millionen Euro staatlich gefördert wurde. Der Strom kommt von einer PV-Anlage auf den Dächern, einem Windrad nebenan und einer Biogas-Anlage. Was gerade nicht gebraucht wird, fließt in die Wasserstoffherstellung im Keller. Die Abwärme der Anlage wird direkt genutzt, um die Gebäude mit Wärme zu versorgen. (Beide Beispiele siehe Video unten)

Green City Gütersloh – so könnte es gehen

Der Bauingenieur Prof. Dr.-Ing. Manfred Norbert Fisch verwirklichte mit seinem 100-köpfigen Team auch dieses Esslinger Projekt. Im Mai habe ich den Professor zu einem Zoom-Gespräch getroffen und ihn zu Lösungen für unsere Stadt befragt. Natürlich braucht es dafür ein individuelles Energetisches Gesamtkonzept hin zur Klimaneutralität, das er erstellen könne. „Doch dafür muss die Stadt erst einmal ein eigenes Konzept erarbeiten.“ Was genau das beinhalten sollte, habe ich in einem ersten ausführlichen Exposé mit entsprechenden Handlungsempfehlungen  zusammengestellt. Kurz zusammengefasst, sagte er Folgendes:

  • „Um eine Stadt für die Zukunft klimaneutral zu gestalten, müssen zwei Dinge zusammen gebracht werden: Eine wirtschaftliche Optimierung zur Reduzierung des Verbrauchs und die Erzeugung von erneuerbaren Energien.“

  • „Es ist unerlässlich, bei Neubauten ein Verbrennungsverbot zu erteilen (keine CO2 Belastung mehr, auch nicht durch Holz). Die Bestandsimmobilien müssen energetisch modernisiert werden.“

  • „Gleichzeitig muss der Ausbau der Erneuerbaren von der Stadt zügig vorangetrieben werden: PV, Windkraft, Biogas (Landwirtschaft), Wärmepumpen im Bestandsbau, Abwasser.“

  • „All das muss so miteinander vernetzt sein, dass es ein ganzheitliches Konzept für die Stadt ergibt.“

  • „Wasserstoff spielt eine große Rolle und kann durch die gute Autobahnanbindung mit LKWs von den künftigen ‚grünen‘ LNG-Terminals in die Stadt gelangen.“

  • Wie viel importiert werden muss, zeigt auch ein entsprechender Wärmeleitplan (in Baden Württemberg Pflicht für Kommunen ab 20.000 Einwohnern).

  • Wichtig: „Aus sich selbst heraus kann man 100 Prozent Klimaneutralität nicht
    erzeugen und komplett autark werden. Dazu braucht man Wasserstoff.“

Und jetzt? Fangen wir endlich an? Erste Ideen liegen bereits in der Schublade. Kramen wir sie hervor!

Links:
Artikel: www.morgenpost.de/politik/article235684329/scholz-habeck-lindner-krisenmanager-ukraine-gas-analyse.html

PlanB: www.zdf.de/gesellschaft/plan-b/plan-b-ohne-oel-und-gas-100.html

Univ. Prof. Dr.-Ing. M. Norbert Fisch:
www.siz-energie-plus.de/staff/m-norbert-fisch

Bürgerpark: www.buergerwindpark.de

Bei Interesse am Exposé für ein kommunales Energetisches Gesamtkonzept und Handlungsempfehlungen einfach >>> Mail an: kontakt@birgitcompin.de

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